VI. Liebesbrief





Meine angebetete Alma, seit ich Deinen Brief aus London vom ... erhalten habe, schreibe ich Dir schon zum zweiten Male; ich adressiere diesen Brief nach Paris, wo Du, umgeben von allen Annehmlichkeiten des Lebens, bewundert, geliebt (wie ich es stets gedacht, und was ich Dir vorausgesagt zu haben, mir schmeicheln darf) vollkommen zufrieden und glücklich sein wirst. Ich führe hier ein davon ganz verschiedenes Leben, welches mir täglich mehr zur Last wird. Teile mir, ich bitte darum, einige Einzelheiten über Deine Erfolge und Beschäftigungen mit. Die Tagesblätter überhäufen Dich mit Lob, selbst noch ehe man sich Deines wunderbaren Talents erfreut hat; der Anblick Deiner Reize hat allein hingereicht, um alle Herzen für Dich zu gewinnen. Wie viele mögen sich jetzt um die Gunst eines Blickes von Dir bewerben! Wenn ich daran denke, so wage ich es kaum Dir zu schreiben; Deine Augen sind vielleicht zu beschäftigt, um zur Durchlesung meines Briefes Zeit zu haben; aber das darf ich wohl nicht glauben? Eine wahre und reine Freundschaft kann von Deiner Seele der Vergessenheit nicht übergeben werden. Ich habe eine Reise nach den Bädern von E... gemacht, um einige Zerstreuung für meine Leiden zu suchen; überall bin ich aber nur einer tödlichen Langenweile begegnet, oder sie hat mich vielmehr ohne Unterlass verfolgt, und da ich nicht bei Dir in Paris sein kann, so befinde ich mich noch in M... am besten da, wo so viele Gegenstände mir die bei meiner angebeteten Alma zugebrachten Augenblicke in's Gedächtnis rufen, ein bezaubernder Traum von einem grausamen Erwachen gefolgt. Lebe wohl, geliebte Freundin, möge das Glück, welches Du so sehr verdienst, Dich stets begleiten.